Saudischer Energie-Experte: Deutschland verspielte Vertrauen

    Saudischer Energie-Experte :Deutschland hat "Vertrauen verspielt"

    ZDF-Studio Kairo: Golineh Atai
    von Golineh Atai
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    Lange galten die Golfmonarchien als "Bösewichte" der Klimakonferenzen. Mit der Energiekrise sind sie nun stark gefragt. Ein Gespräch mit dem saudischen Energie-Experten Al-Sabban.

    Ölfeld in Saudi-Arabien.
    Ein Ölfeld in Saudi-Arabien. (Archivbild)
    Quelle: Ali Haider/EPA/dpa/Archivbild

    In seinem Wohnzimmer in Dschidda am Roten Meer empfängt er mich herzlich mit frischem arabischem Kaffee - schränkt aber gleich ein: "Ich habe nicht viel Zeit für Sie. Mein nächstes Interview ist für 'Russia Today', daher müssen Sie sich beeilen."
    Mohammad Al-Sabban, Ökonom, langjähriger Berater des saudischen Energieministers und ehemaliger Chefunterhändler der saudischen Klima-Delegation bei den UN, ist in diesen Tagen ein gefragter Experte.

    Ökonom Al-Sabban beklagt Ungleichbehandlung

    Interviews vor westlichen Kameras sind in Saudi-Arabien immer noch eine Ausnahme. Offene Einblicke in die Weltsicht und ins Privatleben werden nur selten gewährt. Doch Energie-Experte Al-Sabban ist gleich am Anfang unserer Begegnung recht direkt. Er beklagt einen Interessenkonflikt zwischen Industriestaaten und Ölexporteuren - und eine Ungleichbehandlung seines Landes in den Klima-Verhandlungen.

    Wir können es nicht akzeptieren, zum Opfer zu werden, wenn es um die Bekämpfung des Klimawandels geht.

    Mohammad Al-Sabban

    "Sie in Deutschland haben drei, vier Dekaden lang Ihre industrielle Revolution gehabt. Jetzt, wo wir gerade mit unserer industriellen Entwicklung beginnen, sagen Sie, wir müssten anders vorgehen - und werfen uns in Sachen Klima eine Bremshaltung vor. Aber wir verteidigen nur unsere nationalen Interessen, so wie Deutschland seine Interessen verteidigt", sagt Al-Sabban.
    Arabiens Traum von der Zukunft
    ZDF-Korrespondentin Golineh Atai im Gespräch über eine Welt im Wandel24.11.2022 | 26:46 min
    Schnell wird deutlich: Weder kann von einer Energie-Zeitenwende in Saudi-Arabien die Rede sein, noch scheint Al-Sabban den menschengemachten Klimawandel ernst zu nehmen - sein Land steht dem globalen Klimaschutz weitgehend gleichgültig gegenüber.
    Es hat eine Armee von Lobbyisten auf die jüngste Weltklimakonferenz geschickt. Vor der Welt kündigt es die Erschließung sauberer Energien an - ohne fossile Energien aufzugeben.
    [ZDFheute-KlimaRadar: Daten zum Klimawandel im Überblick]

    "Der edle Kampf gegen Klimawandel ist vorbei"

    Energiewende im Königreich? Nein, das sei ein falsches Wort. Die Welt brauche noch viele Jahrzehnte lang Öl und Gas, die Nachfrage werde so sicher steigen, wie die Weltbevölkerung wächst. Diese Nachfrage nur mit Wind und Sonne abdecken zu wollen, sei "Blödsinn" - gerade der Ukraine-Krieg habe dies deutlich gemacht. "Also wollen Sie bis zum letzten Tropfen Öl bohren?", frage ich.

    Genau das. Richtig. Schauen Sie doch, die USA erteilt jetzt neue Förderlizenzen. Der edle Kampf gegen den Klimawandel ist vorbei, scheint es.

    Mohammad Al-Sabban

    Überhaupt gebe es keinen menschengemachten Klimawandel, auch wenn Wissenschaftler von Lobbyisten dazu gedrängt würden, dies zu behaupten. Es handle sich um rein natürliche Zyklen des Wandels, die sich über Millionen von Jahren erstreckten.
    Lobbyisten? "Ja, Lobbyisten, deren Interesse darin liegt, die Ölförderung weltweit einzustellen. Wenn ihr in den Industriestaaten Öl hättet, dann wäre alles ganz anders." Auf meine Nachfrage, ob Lobbyisten für den Anstieg des Meeresspiegels und die Fluten in Pakistan verantwortlich seien, kann der Energieexperte keine Antwort geben.
    "Arabiens Traum von der Zukunft - Von Oman nach Saudi-Arabien": Golineh Atai steht lachend an einem Weihrauchstand in Oman. Sie hält etwas Weihrauch in der Hand, vor ihr steht ein großer Beutel mit Weihrauch. Die verschleierte Händlerin steht hinter mehreren Plastikbehältern mit verschiedenfarbigen Waren. Sie hält ebenfalls etwas in der Hand und hat sich Golineh Atai zugewandt.
    Die Länder am Persischen Golf haben sich innerhalb weniger Jahrzehnte von weltpolitisch eher unbedeutenden Wüstenstaaten zu wirtschaftlich prosperierenden Kräften entwickelt. 22.11.2022 | 44:14 min

    Saudi-Arabien im Energie-Spagat

    Etwas diplomatischer als Mohammad Al-Sabban drückte jüngst Saudi-Arabiens Klimabeauftragter Adel Al-Jubeir den Spagat seines Landes aus: "Wir können beides tun: Öl pumpen und gleichzeitig Emissionen reduzieren."
    Saudi-Arabien hat sich verpflichtet, seine Treibhaus-Nettoemissionen bis 2060 zu eliminieren und Milliarden Dollar in erneuerbare Energien zu investieren. Der Grund sei einfach, sagt Al-Sabban:

    Wir müssen einfach in alle Arten von Energie investieren. Denn wir müssen unsere Wirtschaft diversifizieren und Exporteur aller möglichen Arten von Energie sein. Und ihr in Deutschland werdet so von einer Abhängigkeit in die nächste geraten. So einfach ist das.

    Mohammad Al-Sabban

    VAE-Energieminister: "Jetzt sind wir wie Superhelden"

    "Wir sitzen am längeren Hebel" - so könnte man das neue Selbstbewusstsein am Golf wohl nennen. Nirgendwo als dort, wo Sonne und Platz existieren, lassen sich billiger erneuerbare Energie produzieren. "Auf dem Klimagipfel 2021 fühlten sich Ölproduzenten unerwünscht. Wir fühlten uns wie in eine Ecke gedrängt", sagte der Energieminister der Vereinigten Arabischen Emirate, Suhail Al-Mazrouei, im April. "Jetzt sind wir wie Superhelden."
    Denn genau jene Länder, die sie letztes Jahr nicht willkommen hießen in Glasgow, bedrängen sie nun, mehr Öl und Gas zu fördern. Die Preise steigen - während die Nachfrageländer Inflation und Rezession erleben. Unter dem Mantra der "Energiesicherheit" will Riad nun noch mehr Öl und Gas fördern, statt seine fossile Abhängigkeit zu verringern.

    Grünes Ammoniak aus Saudi-Arabien?

    Ich frage Al-Sabban, wann Saudi-Arabien denn nun erneuerbare Energien liefern könne für Deutschland. Die Bundesregierung hat jüngst den Bau eines Importterminals für grünes Ammoniak in Hamburg beschlossen. Ab 2026 soll es grünes Ammoniak aus Saudi-Arabien importieren - zur Umwandlung in Wasserstoff.

    Wir haben ehrlich gesagt Angst, mit euch Deutschen weitere Verträge abzuschließen. Ihr habt mit der Beschlagnahmung russischer Gasinfrastruktur Vertrauen verspielt.

    Mohammad Al-Sabban

    Und dann verabschiedet er sich, um zum nächsten Interview zu eilen - mit Russlands Staatssender "Russia Today".

    Doku | Arabiens Traum von der Zukunft
    :Von Saudi-Arabien nach Dubai

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