Wenn Antisemitismus ins Klassenzimmer dringt

    Nahost-Konflikt in Deutschland:Wenn Antisemitismus ins Klassenzimmer dringt

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    Der Nahost-Konflikt ist auch unter Schülerinnen und Schülern Thema. Aber was tun, wenn antisemitische Äußerungen fallen? Die Stadt Düsseldorf hat eine Handreichung herausgegeben.

    Leerer Klassenraum in NRW
    Das NRW-Schulministerium empfiehlt klare Sprache und angemessene Strafen als Reaktion auf antisemitische Äußerungen
    Quelle: picture alliance / Jochen Tack

    Auch wenn das Thema nicht auf dem Stundenplan steht: Der Nahost-Konflikt wird zum Schulbeginn nach den Herbstferien in Nordrhein-Westfalen eine große Rolle spielen. Am Montag kommen Kinder und Jugendliche wieder in ihren Klassen zusammen. Nach den Terrorangriffen der Hamas in Israel müssen sich Lehrkräfte nach Einschätzung des nordrhein-westfälischen Schulministeriums auf das Thema einstellen.
    Wenn Lehrerinnen und Lehrer mit antisemitischen Äußerungen konfrontiert werden, empfiehlt das Schulministerium, sofort mit klarer Sprache und gegebenenfalls angemessenen Strafen zu reagieren. Entsprechende Tipps hierzu gibt etwa die Broschüre "Handreichung für Düsseldorfer Schulleitungen und Lehrkräfte - Was tun bei Antisemitismus an Schulen?". Herausgegeben hat sie die Stadt Düsseldorf.
    Hochgestellte Stühle in einem Klassenzimmer: In Deutschland gibt es immer wieder antisemitische Beschimfpungen und Gewalttaten gegen jüdische Schülerinnen und Schüler.
    An deutschen Schulen kommt es immer wieder zu antisemitischen Beschimpfungen und Gewalttaten gegenüber Jüdinnen und Juden.09.09.2023 | 1:36 min

    Kaum noch Zeitzeugen des Holocaust

    Lehrerinnen und Lehrer seien oft verzweifelt, weil sich Hass auf Jüdinnen und Juden in Schulen breit mache, sagt Christoph Heubner, Exekutiv-Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees. "Sie bitten darum, Zeitzeugen des Holocaust als Gesprächspartner zu vermitteln." Was als "Schocktherapie" für Jugendliche, die die Geschichte der Judenverfolgung im deutschen Nationalsozialismus nicht kennen, gedacht sei, könne heute aber kaum noch umgesetzt werden: "Diese Zeitzeugen gibt es nicht mehr", sagte Heubner dem Evangelischen Pressedienst.
    Judenhass breche sich im Internet auf vielen Plattformen Bahn, etwa auf Youtube oder Vimeo, heißt es in der Handreichung der Stadt Düsseldorf. Dort lernten Jugendliche die Codes, mit denen sie antisemitische Äußerungen in scheinbar unauffälligen Worten verstecken könnten. So steckten hinter einem Thema wie "Machtdominanz an der New Yorker Börse" häufig die alten, längst widerlegten Behauptungen einer "jüdischen Weltverschwörung". Ausdrücke wie die "weltweite zionistische Lobby" und ihre angeblichen "Machenschaften" bezögen sich auf dieses "uralte Bild" vom angeblichen jüdischen Einfluss, heißt es in der Broschüre weiter.

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    von Dorthe Ferber
    Hochgestellte Stühle in einem Klassenzimmer: In Deutschland gibt es immer wieder antisemitische Beschimfpungen und Gewalttaten gegen jüdische Schülerinnen und Schüler.
    Interview

    Antisemitische Codes entlarven

    Lehrerinnen und Lehrer werden darin aufgefordert, aufmerksam zu sein, die Codes wahrzunehmen und sie sofort zu entlarven. Hier seien unmittelbare Reaktionen nötig: "Sie als Mensch haben auf jeglichen rassistischen Sprachgebrauch und auf antisemitische Äußerungen unmissverständlich und umgehend zu reagieren", heißt es in der Broschüre. Die Verletzungen, die Mitschülerinnen und Mitschüler, gewollt oder ungewollt, damit verursachten, könnten im schlimmsten Fall ein Leben lang weiter wirken.
    Schulen sollten daher auch das Strafrecht beachten. Da antisemitische Äußerungen, insbesondere die Leugnung des Holocaust Straftatbestände seien, sollten strafmündige Schüler oder Erwachsene, die an der Schule tätig seien, notfalls angezeigt werden: "Zeigen Sie Haltung! Machen Sie sich bewusst, dass Ihre Arbeit auf dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland fußt ('Die Würde des Menschen ist unantastbar')".
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    "Dem Schwarz-Weiß-Denken entgegenwirken"

    Auf jüdische Schülerinnen und Schüler sollten Lehrkräfte besonders achten. In der Jüdischen Gemeinde in Düsseldorf ist für Anfragen die "Servicestelle für Antidiskriminierungsarbeit Beratung bei Rassismus und Antisemitismus" (Sabra) zuständig. Es gehe darum, menschenverachtende Positionen jeder Couleur zurückzuweisen und den Schülerinnen und Schülern, gegen die sie sich richten, Schutz zu bieten, sagt der pädagogische Mitarbeiter Florian Beer, der selbst Lehrer ist.
    Beer möchte Lehrerinnen und Lehrern ermutigen, die sich überfordert fühlen könnten, wenn der Krieg in Israel ins Klassenzimmer dringt. Das Thema sei zwar für den Unterricht komplex, sagt er. "Aber es geht nicht darum, den Nahost-Konflikt im Klassenraum zu lösen, sondern einem Schwarz-Weiß-Denken entgegenzuwirken."
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    Quelle: epd

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