Nations League: Stefan Ortega als DFB-Überraschungsgast

Der Tatendrang ist im Trainingsalltag offenkundig. Ein Arbeitstag der Torhüter bei der deutschen Nationalmannschaft dauert in der Regel länger als jener der Feldspieler. Die sind meist noch gar nicht aus der Kabine auf dem DFB-Campus in Frankfurt gekommen, wenn Torwarttrainer Andreas Kronenberg mit seiner Troika bereits ins Schwitzen geraten ist.

Der Fachmann erklärt gestenreich, was an Übungen auf Oliver Baumann, Alexander Nübel und eben Stefan Ortega Moreno zukommt. Bald darauf fliegen und fausten die Keeper vor der wolkenverhangenen Frankfurter Skyline. Die Kollegen wärmen sich auf Platz 1 gerade erst auf.

Mit dem vorletzten Nations-League-Gruppenspiel der deutschen Nationalmannschaft gegen Bosnien und Herzegowina (Samstag 20:45 Uhr) kehrt nicht nur Kronenberg nach Freiburg zurück, sondern auch Baumann als Kapitän der TSG Hoffenheim. Den aus Breisach am Rhein stammenden und beim SC Freiburg zum Profi gereiften Baumann sieht Bundestrainer Julian Nagelsmann im Kampf ums deutsche Tor "einen Tick" vorne.

Klar, dass der 34-Jährige auch im letzten Heimspiel des Jahres starten soll. Dahinter kommt Nübel vom VfB Stuttgart - und als dritter Torwart erstmals der bei Manchester City unter Vertrag stehende Ortega. Ein echter Überraschungsgast, denn dass ein Ersatzkeeper erstmals zur Nationalelf berufen wird, ist eine besondere Geschichte.

Gerade vier Pflichtspiele hat der Tormann für den englischen Meister bestritten. Davon hat er zweimal in der Champions League gegen Slovan Bratislava (4:0) und Sparta Prag (5:0) zu Null gespielt. Doch ist der Deutsch-Spanier aus Nordhessen eben auch schon 32 Jahre alt.

Wäre es da nicht besser, einen jüngeren Kandidaten aufzubauen? Nagelsmann sagte dazu auf ZDF-Nachfrage:

Im Oktober bildete noch Janis Blaswich (Red Bull Salzburg) das Backup für das Tandem Baumann und Nübel, nun stellt sich der bis 2022 bei Arminia Bielefeld spielende Ortega beim DFB-Trainerteam vor.

Ortega fällt vor allem wegen seiner fußballerischen Qualitäten auf: Wie er Bälle auch in Bedrängnis verarbeitet, weiterleitet oder den Spielaufbau steuert, ist meisterhaft. Diese Eigenschaft war ein Hauptgrund, dass sich Pep Guardiola nach dem Bundesliga-Abstieg der Bielefelder überhaupt für den deutschen Ballfänger als Vertreter des Brasilianers Ederson interessierte.

Als sich die Nummer eins der "Skyblues" in der vergangenen Saison ausgerechnet im Liga-Finale verletzte, sprang Ortega ein - und meisterte die nervenaufreibenden Herausforderungen bravourös. "Ich habe keine Worte", sollte Guardiola daraufhin voller Bewunderung kundtun.

Auch die Mitspieler in Manchester staunten über die Fertigkeiten des 1,85 Meter großen Torhüters, der von 2014 bis 2017 das Gehäuse des Traditionsvereins TSV 1860 München hütete. Erst als die "Löwen" in der Drittklassigkeit verschwanden, kehrte Ortega nach Bielefeld zurück.

Sein wichtigster Förderer bei den Ostwestfalen war Marco Kostmann: Der aktuelle Torwarttrainer des FC Augsburg formte Ortega von der Jugend an. "Ich glaube, dass sich der Kreis in Deutschland schließen wird", sagte der 58-Jährige jetzt im Fachmagazin "kicker" und spielte darauf an, dass Ortega sich im Sommer eine Luftveränderung wünscht.

Auf Dauer stellt Ortega Moreno die Ersatzrolle bei Manchester City nicht zufrieden, eine Rückkehr in die Bundesliga soll für nächsten Sommer sein Wunsch sein. Sich im Kreise der Nationalmannschaft aufzuhalten, um sich vielleicht sogar mit künftigen Kollegen auszutauschen, ist bei solch einem Karriereplan nur hilfreich.